Dienstag, 10. Juli 2012

The Secret World - Einblick in eine geheime Welt

Vorwort:

Dieser Text beschäftigt sich mit meinen ersten Impressionen dieses neuen MMOs, welches vor wenigen Tagen offiziell gestartet ist. Ich erhebe nicht den Anspruch auf eine vollständige Rezension - ausführliche Besprechungen zum Spiel finden sich im Netz zuhauf, beispielsweise hier.

TSW ist ein Spiel in einer modernen Welt mit "doppeltem Boden", in der das Übernatürliche real ist und sich verborgene Dinge "hinter den Kulissen" abspielen (ähnlich der WoD zum Beispiel). Der Spieler gehört zu einer der drei Geheimgesellschaften die die Grundfraktionen des Spiels bilden - Templer, Illuminaten und Drachen.

Wichtige Punkte, die das Spiel kennzeichnen sind:

- Keine Charakterklassen, freies und offenes Spielsystem, Skillwahl über ein "Fähigkeitenrad"

- Keine Erfahrungsstufen und keine an den Char "gebundenen" Attribute. Alle Statistiken ergeben sich aus den getragenen, nicht sichtbaren Gegenständen (Talismane usw.)

- Kleidung ist rein optische "Kosmetik" und hat keine eigenen Werte (die kommen aus den Talismanen).

- Das Questsystem ist stark "fokusiert" (eine Hauptquest und ein paar Nebenquesten gleichzeitig). Es gibt ein paar neuartige Questtypen - Schleichmissionen und vor allem Investigativaufgaben, die teilweise regelrechte Recherche erfordern.

Ich möchte im Folgenden meine eigenen Eindrücke niederlegen, sozusagen aus Sicht des Spielers - Dinge die mir positiv und negativ aufgefallen sind.


Charaktererschaffung und Spieleinsteig:

Die Charaktererschaffung konzentriert sich auf das Äußere - die Auswahl ist in Ordnung, aber nicht umwerfend. Insbesondere gibt es nur sehr wenig unterschiedliche Kleidung und somit zum Start verhältnismäßig wenig Individualisierungsmöglichkeiten.

Das Spiel beginnt mit der in kurzen Rückblenden erzählten Geschichte des eigenen Erwachens, die in einer Tutorial-Traumsequenz mündet. Wie auch zum Beispiel bei GW 2 wird man hier "mitten rein geworfen" (mit einem deutlich besseren Skillset, als ein Startcharakter) muss man sich bereits nach wenigen Minuten mit regelrechten Angriffswellen und ziemlich beeindruckenden Riesenbossen auseinandersetzen - da es nur ein Traum ist, passiert einem nichts, aber man ist dennoch ziemlich gefordert und ich hatte Schwierigkeiten, mich zu orientieren.

Danach kommt dann die übliche Einführung, man lernt seine Gesellschaft kennen, kann sich in der jeweiligen "Heimzone" (bei den Templern = London) umschauen und Skills und Waffen in einer Art Trainingsraum ausgiebig testen.

Dann geht es nach Kingsmouth und in die erste "Spielzone" (vergleichbar bei SWTor einem Planeten).

Kingsmouth selbst ist eine kleine Stadt im archetypischen Neuengland-Stil - und von Zombies überrannt, die mit einem mysteriösen Nebel kamen. Die Stadt wimmelt nur so vor "typischen" Horrorklischees und bietet alles, was man sich in diesem Bereich nur vorstellen kann (verschollene Schiffe, mysteriöse Wahrsagerinnen, eine resolute Dame, die mit ihrem Schrotgewehr Zombies jagt, einen Leuchtturm, ein paar dunkle Geheimnisse in der Vergangenheit, Hexen usw.).

Im Laufe des Spiels und seiner Questen deckt man dann allmählich die Hintergrundgeschichte der Ereignisse auf.


Die Missionen:

Die Missionen bei TSW haben ein größeres Spektrum, als das bei anderen Spielen dieser Art üblich ist - hier darf man wirklich von Innovation sprechen, denn die Investigativaufgaben sind clever gemacht, teilweise anspruchsvoll und auf jeden Fall abwechselungsreich. Die fokusierte Darreichungsform der Questen hilft dabei, einen gewissen roten Faden in die eigene Vorgehensweise zu bekommen - das gefällt mir gut.

Auch in Sachen Präsentation hat man Vieles "richtig" gemacht, die Vertonung ist durchweg äußerst gelungen. Die Texte und Dialoge (besser: Monologe) sind richtig gut geschrieben und erzeugen eine tolle Atmosphäre (und man nimmt sich nicht immer ganz ernst). Auch gibt es zahllose Anspielungen auf Filme und Bücher. Die NSCs haben sehr schön ausgearbeitete (und oft bewusst leicht im Klischee überzeichnete) Persönlichkeiten und man hört ihnen gerne zu.

Man hat sich allerdings die Stimme des eigenen Charakters gespart, der immer nur schweigt (worüber sich manche NSCs hin und wieder lustig machen) - insofern sind es eher Monologe der NSCs, als echte Dialoge (ala SWtoR). Ich kann die Idee dahinter verstehen (und natürlich spart es enormen Produktionsaufwand), aber ich finde, dass es die Immersion doch ein stück beeinträchtigt.

Einzelne Missionen sind leider noch etwas fehlerbehaftet, was zu Frusterlebnissen führen kann, auch weil man nicht immer weiß, ob es jetzt ein Bug ist oder man nur etwas übersehen hat.

Denn TSW ist diesbezüglich unbarmherzig.

Ein Teil seines Anspruchs und recht hohen Schwierigkeitsgrades resultiert auch daraus, dass das Spiel wenig Vorgaben, wenig Hilfestellung und wenig Rückmeldung gibt. TSW nimmt den Einsteiger nicht an die Hand - sondern man wird in aller Regel ins kalte Wasser geworfen. Sehr viel bekommt man nur durch Probieren heraus, wenig wird erklärt und der Tod ist schnell, gerade am Anfang. Das ist SO ungewöhnlich, dass ich es nicht stark genug betonen kann. Bereits die ersten Zombies auf dem Weg nach Kingsmouth schafften es, mich zum ersten Mal zu töten (bis ich verstanden hatte, wie das Zusammenspiel aus Benzinkanister in Brand setzen, aufs Autodach springen um mit der Alarmanlage Zombies zu locken und diese dann ins Feuer locken war ich schon tot - das ist noch BEVOR man überhaupt mit dem eigentlichen Questen begonnen hat!).

TSW zeigt einem bei Nachforschungsquesten keine Hinweise auf der Map, es wird einem auch nicht gesagt, WIE man etwas herauszufinden hat (durch den spielinternen Internet-Browser, zum Beispiel). Bei vielen Aufgaben hilft sogar nur Allgemeinbildung weiter - wie in einem guten Adventure. Bei einzelnen Aufgaben muss man regelrecht "um die Ecke" denken. Diese Aufgaben haben mich begeistert.

Da es keinerlei "Stufenanzeige" gibt, kann man auch nur sehr grob abschätzen, ob man einem Gegner nun gewachsen sein wird oder nicht - auch hier gibt es praktisch keinerlei Rückmeldung und man kann sehr leicht an einen schweren Gegner geraten, dem man dann hoffnungslos unterlegen ist. Man muss sich hier schlicht auf seine Intuition verlassen - oder es einfach drauf ankommen lassen.

Natürlich gibt es auch genügend Aufgaben der Sorte "Töte X Gegner, sammle Y Dinge ein". Hier fand ich die permanenten Angriffe der "Zufallsmobs", die auf den Strassen herumlungern auf Dauer doch ziemlich nervig. Es soll vermutlich zur Atmosphäre beitragen, aber auf Dauer behindert es eher, wenn man zu einem Ziel will.


Das Skillsystem:

Das Skillrad, auf dem die Skills angeordnet sind, erlaubt völlig freies Sammeln und Kombinieren der eigenen Fähigkeiten. Die Lernkurve ist hier aber - wie so oft - sehr steil. Man muss sich schon ziemlich damit beschäftigen, die Kombinationsmöglichkeiten sind gross und man muss Einiges schlicht ausprobieren. Das Konzept des Fertigkeitenrades ist allerdings brilliant umgesetzt und weiß tüftelfreudige Spieler zu begeistern.

Die Grundidee des Skillssystems, also unbegrenzte Talente von denen man nur eine Handvoll aktiv halten kann, ist übrigens nicht SO neu wie die Werbung einem glauben machen möchte, sondern mir schon bei Guild Wars 1 begegnet. Genau wie dort besteht ein Teil des Spielreizes in der optimalen Kombination der Skills. TSW geht hier aber den konsequenten Schritt keinerlei Vorgaben mehr zu machen. Es gibt zwar sogenannte "Deckvorschläge" zu verschiedenen Themen, aber an die muss man sich weder halten noch sind sie immer optimal.

"Deckbuilding" ist auf jeden Fall einer der Hauptpfeiler der Langzeitmotivation des Spiels.

Das muss man mögen oder eben nicht.


Das Spielgefühl:

Das Spielgefühl erinnert mich über weite Strecken an ein Solo-Spiel, bei dem nur zufällig noch ein paar weitere Spieler herumlaufen. Bislang bin ich noch keiner Gruppenaufgabe begegnet (die gibt es aber wohl "irgendwann", genauso wie PVP und Gruppeninstanzen) und erhielt auch sonst keine Motivation zum Gruppenspiel (keine eigenen Gruppenaufgaben, Heldenbereich usw.). In vielen Momenten fühlte ich mich ein wenig an den Klassiker Vampire the Masquerade: Bloodlines erinnert (ein Spiel, dass die Macher dieses Spiels mit Sicherheit kennen). Das Skill- und Kampfsystem hingegen spielt sich ein wenig wie eine Evolution des Systems von GW 1. Die Stimmung und Atmosphäre wirkt rund und ist auf ihre Art gleichauf mit den besten Momenten in SWtoR oder HdRO.

Das Konzept des Spiels unterscheidet sich hingegen extrem von SWtoR, wenn es um den "Wiederspielwert" geht. SWtoR geht den Weg des "Twinkens", man hat die Möglichkeit die unterschiedlichen Klassenquesten und Geschichten durchzuspielen und wird geradezu dazu aufgefordert und vom System "ermuntert". TSW bietet keinerlei Anreize zum "Twinken" - es gibt ja keine Entwicklungsbeschränkungen die das rechtfertigen würden und die drei Fraktionen unterscheiden sich im Spiel bis auf ihre "Hauptquartiere" kaum und durchlaufen die gleichen Bereiche (ich habe es mit einem zweiten Char getestet), eben z.B. Kingsmouth. Der "Wiederspielwert" mit einem Zweitchar ist sehr gering.

Ich hätte mir hier eindeutig gewünscht, dass es größere Unterschiede zwischen den Fraktionen gäbe, das bestimmte NSCs sich vielleicht etwas anders verhalten könnten. Auch hätte ich moralische Entscheidungen, die Konsequenzen haben, in so einem düsteren Setting richtig gut gefunden.

Allerdings kann es sein, dass da "noch etwas kommt", da ich mich noch immer in Kingsmouth aufhalte, was sozusagen "Startgebiet" im Spielverständnis von TSW ist - auch wenn man in anderen Spielen in der gleichen Spielzeit vermutlich schon drei ganze Spielbereiche gesehen hätte.

Generell hätte ich mir hier etwas mehr Abwechselung gewünscht. Da die Gebiete sehr "kompakt" und homogen sind und man sich gleichzeitig ungewöhnlich lange dort aufhält wirkt es doch zuweilen etwas eintönig zum X mal von einer Horde Zombies an der gleichen Straßenecke angegriffen zu werden.

Richtig nervig ist die Tatsache, dass man - wenn der eigenen Charakter stirbt - als Geist zu seinem Körper zurücklaufen muss. Ich hatte angenommen, dass sowas seit WoW nun wirklich aus der Mode wäre.

Richtig modern hingegen sind die schicken und flexiblen Fenster für Inventar, Missionen und Charakterdaten. Das ganze UI-Design ist sehr gelungen und gefällt mir ausgesprochen gut.


Die Technik:

Technisch gesehen ist der gelungene Sound und die weitgehend sehr gute Synchro zu loben. Das Spiel wirkt fertig, sehr sorgfältig entwickelt und weitgehend "rund" (kein Vergleich zu den Anfängen von z.B. SWtoR).

Die Grafik sieht gut und solide aus, weiß durchaus zu gefallen, erzeugt aber keine staunenden Momente (wie GW 2 zum Beispiel). Allerdings ist die Engine bemerkenswert ineffizient programmiert. Dachte ich bislang, dass das frühe SWtoR schon ein Ressourcenfresser wäre, so ist TSW ein regelrechtes hardwareverschlingendes Monster. Auf Windows 32bit-Systemen läuft der Client nicht sauber und niemand sollte auf die Idee kommen, TSW auf den angegebenen Minimal-Hardwareanforderungen zu spielen - ein Bilderbuch wäre die Folge. Man wundert sich schon, denn es wird augenscheinlich die gleiche Engine wie bei AoC verwendet - und die läuft bei mir wesentlich flüssiger. Auch bei Auflösungswechseln skaliert die Grafikengine nicht immer optimal (Texte).

Meines Erachtens nach sollte Funcom hier noch deutlich nachbessern.


Sonstige Bemerkungen:

TSW ist durchaus ein eher teures Spiel. Zusätzlich zu den (recht hoch angesetzten) Abogebühren gibt es einen Itemshop, in dem man Kosmetisches kaufen kann - coole Anzüge und Pets primär. Der Kaufanreiz soll dadurch gesteigert werden, dass man im Spiel nur selten etwas "Hübsches" findet. Es gibt aber auch die Möglichkeit, in einem Kaufhaus Sachen gegen Spielwährung zu erwerben.

Ob der Gegenwert auf Dauer gerechtfertigt ist, muss und wird sich sicherlich noch zeigen.


Mein (vorläufiges) Fazit:

TSW ist in gewisser Weise ein auf bestimmte Aspekte fokusiertes und spezialisiertes Nischenprodukt, jenseits des Mainstream. Es richtet sich an anspruchsvollere (ich möchte fast sagen "ältere") Spielerinnen und Spieler, denen Spiele wie Bloodlines oder Silent Hill zusagen und die bereit sind, Texte zu lesen, herumzuexperimentieren und sich in ein Spiel "einzuarbeiten" - im Gegenzug muss man eine gewisse Frusttoleranz mitbringen. Der "sportlich" orientierte PVPler oder der erfolgsorientierte PVEler wird hier nicht unbedingt glücklich werden.

In den Punkten, auf die sich TSW sehr konsequent konzentriert kann es in jeder Hinsicht überzeugen.

Grosse Flexibilität wird einem hier geboten, verbunden mit einer gut erzählten Geschichte. Doch TSW geht die Dinge "langsam" an, viel langsamer als alle mir bekannten und vergleichbaren Spiele. Das "Entwicklungstempo" ist ganz außerordentlich niedrig und man wird nur sehr allmählich, fast unmerklich "besser". Das Ausbleiben von "schnellen" Erfolgserlebnissen, das lange Herumprobieren und im "Dunkeln tappen" ist tatsächlich ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Das sollte man wissen, wenn man sich auf TSW einlässt - es ist sicherlich nicht für jeden Geschmack gemacht, aber auch nicht gedacht.

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